Wie sich Fabian die Wertebrille aufsetzte

Eine Erkenntnisreise von Eignungsdiagnostik zur Dialoglogistik

Als ich vor 10 Jahren meine ersten Rundgänge auf Personalmessen machte, hat sich ein Glaubenssatz bei mir entwickelt und verfestigt: „Farbenfrohe Diagnostiktools befeuern doch nur das Schubladendenken.“ Gefühlt ging es bei diesen Tools nur darum, ob jemand rot, gelb, grün oder sonst etwas war. Kaum hatte Kollege X einen Bogen mit Fragen ausgefüllt, bekam er seinen von da an gültigen Farbstempel: „Das ist ein Roter.“

Ich wollte mich mit dieser oberflächlichen Aussage nicht zufriedengeben und so beschloss ich sehr schnell, so viele Tests wie möglich selbst zu machen, um die Wahrheit dahinter zu erkunden. Inzwischen habe ich selbst mehr als 15 verschiedene Selbsttests durchgeführt und je nach Qualität sogar einige Tests nachgebaut, um sie noch tiefgründiger zu verstehen. Heute weiß ich, dass es bei der Auswahl des richtigen Tools vor allem darauf ankommt, um welchen Entwicklungskontext es geht, und ließ mich selbst für die zwei Tools 9Levels und persolog® EnergyFactors zertifizieren, die sich vor allem mit den Themen Werte, Motivation und Kultur befassen.

Die eigenen grundlegenden Werte sollte zum einen jeder Mensch gut kennen, aber auch eine Organisation – und zwar so gut wie ihre Bilanzkennzahlen oder Produktionsprozesse. Mit den Modellen 9Levels und persolog® EnergyFactors lässt sich die aktuelle Wertekultur von Personen und Unternehmen eindeutig erfassen. Die Tools analysieren, welche Werte und Prioritäten bei einer Person, in einem Team oder einem Unternehmen dominieren. Aufgrund der Ergebnisse wird das Testobjekt in einem Entwicklungsmodell verortet, das auf dem Graves-Value-System basiert. Diese Position im Modell bildet zum einen den Status Quo ab. Zum anderen gibt sie klare Hinweise auf die nächsten möglichen Entwicklungsschritte. Die nämlich können immer nur zur nächsten Stufe des kulturellen Reifemodells führen. Kein Level kann übersprungen werden! Veränderungsprozesse gelingen deshalb nur, wenn sie auf die jeweilige Entwicklungsstufe abgestimmt sind.

Passt der kulturelle Reifegrad Ihrer Organisation noch zu den Anforderungen der Absatzmärkte? Bremst sich die Organisation womöglich schon selbst? Woher weiß ich, ob Bewerber:innen die passende kulturelle Reife für mein Unternehmen haben?
Und was bedeutet kulturelle Reife im Organisationskontext?

Wo sich ein Mensch verändert, verändert sich sein System. Wo sich ein System verändert, verändern sich auch die Menschen. Wenn wir von Reife sprechen, dann sollten wir uns zunächst von der Vorstellung lösen, dass damit ein einzelnes Objekt (Mensch, Organisation oder Gruppe) gemeint ist. Denn Menschen und Systeme bedingen sich gegenseitig und somit ist kulturelle Reife eigentlich immer im Fluss und als Prozess zu betrachten.

Diese Systeme wechseln zwischen dem Fokus auf die äußere Welt mit dem Versuch, diese zu verändern, und dem Fokus auf die innere Welt und darauf, mit der Welt in Einklang zu kommen. Dabei geht es um das Ziel und die Möglichkeit, in jedem Teil des Systems sich abwechselnd in das nächste System zu verändern.

Menschen tendieren normalerweise dazu, ihr biopsychosoziales Sein anzupassen, wenn sich die Lebensumstände verändern. Wenn ein Mensch sich auf einem Existenzlevel befindet, hat er auch sämtliche Aspekte dessen inne. Seine Gefühle, Motivation, Konzepte, psychische Krankheiten, Glaubenssätze sowie Vorlieben für bestimmte Management- und Erziehungskonzepte sind alle passend zu diesem Zustand.

Unter bestimmten Umständen kann eine Person auch in ein niedrigeres Existenzlevel regredieren (zurückentwickeln). Die menschliche Entwicklung ist in dieser Hinsicht vergleichbar mit einer Symphonie, welche ihre Themen und Melodien in der einfachsten Form beginnt und sich immer weiter in Richtung nahezu unendlicher Variationen entwickelt. Diese Lebensthemen ändern sich, indem der Mensch die Probleme seiner aktuellen Existenz löst, wodurch wiederum neue Existenzprobleme entstehen.[1]

Spinnt man diesen Gedanken weiter auf eine gesamte Organisation, so ergibt sich daraus zunächst ein buntes Bild vielfältiger Wertvorstellungen, aus denen sich wiederum ein gesamtkulturell akzeptiertes Normmuster abzeichnet, aber eben auch Spannungsfelder entstehen können. Stellen Sie sich nur einmal den Leiter einer Produktion und den Leiter des Vertriebs derselben Organisation vor und fragen Sie sich, was den beiden Personen bei ihrer Arbeit wichtig ist. Vielleicht werden Sie gemeinsame Nenner wie „Qualitätsanspruch“ oder „Struktur“ finden, aber die meisten Wertvorstellungen werden auseinanderliegen und können sogar zu regelrechten Spannungsfeldern werden. Was dem einen Energie gibt, raubt dem anderen Energie in höchstem Maße. So könnte es sein, dass der Produktionsleiter aufgrund seines Qualitätsanspruchs Wert darauf legt, geregelte Verantwortlichkeiten und Arbeitsprozesse strikt einzuhalten und nach genauen und bewährten Vorgaben zu arbeiten, während der Vertriebsleiter ebenfalls aus seiner Deutung von Qualitätsanspruch (gemessen an Flexibilität und Schnelligkeit gegenüber der Kunden) diese Grundsätze als eingefahren oder mental unbeweglich verurteilt.

Kann man die kulturelle Reife nun messen oder nicht?

Managende messen gerne. Denn Zahlen versprechen ihnen Sicherheit: Mit ihnen bewerten sie Projekte, begründen Entscheidungen und überzeugen Vorgesetzte und Mitarbeitende. Dinge, die sich nicht messen lassen, werden in den Chefetagen deshalb oft skeptisch beäugt: Soft-Skills, Weiterbildung und Mitarbeitermotivation etwa. Oder die Unternehmenskultur: Obwohl sie allgemein für den Erfolg eines Unternehmens als wichtig erachtet wird, setzt man sich in Firmen kaum ernsthaft mit dem Thema auseinander. Ein Fehler, denn die Unternehmenskultur einer Firma basiert oft auf Erfolgsrezepten aus der Vergangenheit. Wer hier zu eingefahren war, dem ist das im vergangenen Jahr durch die Corona-Pandemie sicher schmerzlich auf die Füße gefallen und nun wird verzweifelt nach den kreativen Köpfen und der nötigen neuen Struktur für mehr Flexibilität gesucht. Unternehmen können sich eine solche Unbeweglichkeit und Prinzipientreue heute also immer weniger leisten. In einem sich ständig ändernden Marktumfeld müssen Firmen vielmehr wandlungsfähig sein und sich neuen Bedingungen schnell anpassen können – und zwar, ohne den festen Kern ihres inneren Wertesystems zu verraten.

Warum es gerade jetzt wichtig ist, sich seiner Werte und Grundsätze bewusst zu werden

Mit dem aktuellen Blick auf die Corona-Situation befindet sich zwangsläufig jeder Mensch in einem oder mehreren Systemen, die sich verändern. Egal ob berufliches, familiäres oder sonstiges System – die Veränderung lässt sich nicht vermeiden. Es ist also spannend, gerade jetzt einen Blick auf unsere Werte zu werfen (also darauf, was uns wichtig ist, woraus wir Energie ziehen und was uns Energie raubt) und richtig einzuordnen, was bei uns und um uns herum passiert.

Hier finden Sie einige Schlüssel-Fragen, die Ihnen beim Finden Ihrer eigenen Werte helfen können:

https://www.muellerundpartner.de/kontakt/blog/artikel/7-schluessel-um-ihre-werte-zu-finden

Gibt es so etwas wie einen Zielzustand?

Nun, diese Frage ist zuletzt eine Frage der inneren Haltung jedes einzelnen Menschen. Gleichwohl möchte ich noch einmal abschließend einen wesentlichen Punkt unterstreichen: Wer Flexibilität und maximales Innovationspotential in seiner Organisation erleben möchte, kommt um einen systemischen Blick und die Sichtweisen anderer Menschen nicht herum. Ganz im Gegenteil, wer reifen möchte, schafft das nicht allein – weder als Mensch noch als Organisation. Und somit befinden wir uns eigentlich auf einer lebenslangen Reise. Dazu braucht es in Ihrer Organisation aber vor allem Raum für Reflexion und Menschen, die in der Lage sind, situativ zu reflektieren. Die Kunst, reflektieren zu können, ist vor allem eine Kunst, die richtigen Fragen zu stellen und zum richtigen Zeitpunkt bei Meetings oder in Prozessen zu intervenieren. Schaffen Sie also Rollenmodelle für Mitarbeitende, die diese Kompetenz besitzen und im oben beschriebenen Modell schon auf einer höheren Entwicklungsebene angekommen und somit in der Lage sind, die Vorzüge der vorhergehenden Levels zu erkennen und zu kombinieren.

Fazit

Ich möchte Ihnen gerne eines meiner Lieblingszitate von Prof. Gerald Hüther schenken und Sie damit abschließend auf Ihre ganz individuelle Reise entlassen. Ich wünsche Ihnen die richtigen Menschen und Gedanken und freue mich über Ihre Einladung, wenn auch ich Sie als zertifizierter 9-Levels- und persolog® EnergyFactors-Berater auf dieser Reise – mit Hilfe des passenden Messinstruments – begleiten kann:

„Seine Einzigartigkeit gewinnt ein Mensch nicht mehr dadurch, dass er sich von anderen abgrenzt, sondern indem er sich gemeinsam mit anderen entdeckend, gestaltend, sich kümmernd, Verantwortung übernehmend auf den Weg macht, und dabei seine individuellen Potentiale entfaltet. Jeder gehört dazu und alle werden gebraucht.“
Gerald Hüther

Und wenn Sie noch tiefer in das Thema einsteigen möchten, freue ich mich auf Ihren Anruf, Ihre Mail oder Ihren Besuch!

[1] Vgl. Clare W. Graves: Sein Leben, sein Werk – Krumm, Parstorfer (2014)

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