Sokrates und Grice – Über das Posaunen und das Kontrollieren des eigenen Wortschwalls

Zum weisen Sokrates kam einer und sagte: “Höre, Sokrates, das muss ich dir erzählen!” 
“Halte ein!”, unterbrach ihn der Weise. “Hast du das, was du mir sagen willst, durch die drei Siebe gesiebt?” – “Drei Siebe?”, fragte der andere voller Verwunderung. 
“Ja, guter Freund! Lass´ sehen, ob das, was du mir sagen willst, durch die drei Siebe hindurchgeht. 
Das erste ist die Wahrheit. – Hast du alles, was du mir erzählen willst, geprüft, ob es wahr ist?” 
“Nein, ich hörte es jemanden erzählen und …” 
“So, so! Aber sicher hast du es im zweiten Sieb geprüft. – Es ist das Sieb der Güte. 
Ist das, was du mir erzählen willst, gut?” – Zögernd sagte der andere: “Nein, im Gegenteil …” 
“Hm”, unterbrach ihn der Weise. “So lasst uns auch das dritte Sieb noch anwenden. – Ist es notwendig, dass du mir das erzählst?” – “Notwendig nun gerade nicht …” 
“Also”, sagte lächelnd der Weise, “wenn es weder wahr noch gut noch notwendig ist, so lass´ es begraben sein und belaste dich und mich nicht damit.” 

Diese kleine Erzählung über Sokrates veranschaulicht, dass wir in unserem Handeln und unserer Kommunikation stets reflektiert vorgehen sollten. Gerade im Internet bedarf es nur eines Klicks, um eine mögliche Empörung in die Welt zu schicken. Hinter der Anonymität und der Instanz des Bildschirms zwischen uns sind Worte manchmal weniger durchdacht, unwahr, beleidigend oder einfach überflüssig. Während ein Kommentar gegenüber einer Kollegin nur bei ihr verbleibt, manifestiert man den Gedanken im Internet aber für alle und für immer.  

Paul Grice, ein Philosoph des letzten Jahrhunderts, beschäftigte sich mit Sprache und Sprechen und definierte folgende Konversationsmaxime: 

  • Maxime der Quantität 

Gestalte deinen Gesprächsbeitrag so informativ wie nötig, aber nicht über den Gesprächszweck hinaus – kurz: Sag so viel wie nötig, aber komm auf den Punkt. 

  • Maxime der Qualität 

Sag nur Dinge, von denen du weißt, dass sie wahr sind, nichts, von dem du glaubst, dass es falsch ist. Verbreite keine Unwahrheiten. 

  • Maxime der Relevanz 

Bleib beim Thema und äußere dich nur dazu, schweife nicht ab oder wechsele gar das Thema. 

  • Maxime des Stils/der Modalität 

Unklarheiten, Mehrdeutigkeiten, Weitschweifigkeit und Ungeordnetheit sollten vermieden werden. 

Zusammengefasst: „Sag nur, was informativ, wahr und themenbezogen ist, und sag dies klar und deutlich.“1 

Bei der Real-Kommunikation fungiert unser Gegenüber oft schon als eben dieser Filter, indem es Signal gibt, dass es verstanden hat, die Wahrheit hinterfragt oder zurück zum Thema lenkt. Dadurch korrigieren wir uns bei Irritationen oder können diese direkt klären. 

Wir stellen fest, dass gerade auch jetzt die drei Siebe von Sokrates oder auch die Maxime von Grice eine gute Wahl sind, um die Kommunikation in der Krise auf die eigentliche Herausforderung zu lenken. Viel zu schnell passiert es, dass unterschiedliche Meinungen zu Corona zu persönlichen Beleidigungen und gar Beschimpfungen werden. Ob es den Protagonisten danach besser geht? Ob sie etwas geändert haben? Etwas verbessert haben? Wohl kaum …! 

Achten wir mehr auf unsere Worte und sieben wir sie, bevor wir sie verkünden! 

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