Rituale oder „Der Sinn des immer Gleichen“

„Wir sind, was wir wiederholt tun.“ -Sean Covey

Wenn Veränderungen nicht selbstgemacht oder mindestens erwünscht sind, haben Sie immer eine ganze Palette unangenehmer Gefühle und Stimmungen im „Schlepptau“.

Das Corona-Virus ist eine solche unerwünschte Veränderung und löst bei vielen Menschen Angst und Unsicherheit aus – der Bedarf nach Sicherheit und Routine wächst. Gerade jetzt können Rituale uns helfen, leichter mit der veränderten Gesamtsituation umzugehen.

Rituale geben uns Orientierung und damit Sicherheit. Sie erzeugen ein gutes Gefühl durch Vertrautheit und fördern den Zusammenhalt. Rituale erleichtern den Alltag, weil sie ihn ordnen, und verleihen besonderen Anlässen Gewicht. Aber: Sie können auch einengen, langweilen, spießig oder steif wirken. Prüfen Sie daher Gewohnheiten bei sich und anderen: Wenn Langeweile oder Monotonie auftaucht, verlieren Rituale die positive Wirkung. Bemerkungen wie "schon wieder?" oder "muss das wirklich sein?" sind Indizien für Monotonie.

Schauen wir aber heute auf die Chancen, die Rituale mitbringen.

Freizeit und Arbeit sind sich zurzeit näher denn je. Deshalb ist es jetzt noch wichtiger, klare Grenzen zu ziehen. Dabei helfen Rituale, da sie Übergänge von einem zu einem anderen Zustand kennzeichnen und Sie so für Ihr Gehirn klare Signale setzen. Übergangsrituale helfen uns im Alltag beim „Umschalten“, z.B. von Privatsphäre auf Arbeitswelt.

Im Alltag sind es genau diese Rituale, die uns beim Start in den (Arbeits-)Tag begleiten:

Wir suchen die passende Kleidung für den Arbeitstag aus, begeben uns auf den Weg zur Arbeit, wir holen uns den ersten Kaffee, begrüßen das Team und richten unseren Arbeitsplatz ein … Das alles stimmt uns auf den Tag ein und bereitet uns und unser Gehirn, unseren ganzen Körper auf das, was ansteht, vor. Fallen diese gewohnten Routinen weg, ist es zuhause erstmal schwer, in einen Arbeitsrhythmus zu kommen, da für die meisten das Zuhause mit Freizeit, nicht aber mit Arbeit verknüpft ist.

Doch auch in dieser neuen Situation lassen sich Rituale etablieren.

  • Kleidungsritual: Ziehen Sie sich an, als würden Sie in Ihre Firma fahren. Damit signalisieren Sie, dass jetzt etwas anderes stattfindet – Sie starten eine andere Tagesphase.
  • Richten Sie sich - wenn möglich – einen (festen) Arbeitsplatz ein, an dem Sie zu Hause arbeiten. In einer zu provisorisch eingerichteten „Ecke“ werden Sie sich nicht dauerhaft wohlfühlen und konzentrieren können.
  • Um den Körper und Geist auf das Arbeiten einzustellen, kann auch bestimmte Musik helfen, die Sie nur beim Arbeiten hören.
  • Startritual: Lassen Sie sich selbst und Ihren Gedanken jeden Morgen ein wenig Zeit, im Arbeitstag anzukommen. Mit einer Tasse Kaffee oder Tee zelebrieren Sie den Eintritt in den Arbeitstag und tanken noch einige Minuten Kraft und Energie. Sie nehmen quasi kurz einen Gang heraus, um danach in einen anderen Gang zu schalten.
  • Machen Sie - wie im Büro auch - Kaffeepausen und achten Sie darauf, dass Sie bildschirmfreie Zeit in Ihren Arbeitstag integrieren. Probieren Sie doch in diesem Zusammenhang einmal die Pomodoro-Technik aus!

Die Technik besteht aus fünf Schritten:

  1. die Aufgabe schriftlich formulieren
  2. den Kurzzeitwecker auf 25 Minuten stellen
  3. die Aufgabe bearbeiten, bis der Wecker klingelt; markieren Sie die Stelle, wo Sie gerade in der Bearbeitung stehen.
  4. kurze Pause machen (5 Minuten)
  5. nach jeweils vier pomodori eine längere Pause machen (15–20 Minuten)
  • Teamritual: Richten Sie virtuelle Kaffeepausen mit Ihrem Team ein und nutzen Sie sie für Plausch und Austausch – außerhalb der gemeinsamen Arbeitsprojekte.
  • Setzen Sie eine klare Feierabend-Uhrzeit und räumen Sie dann Ihren Arbeitsplatz auf, packen den Laptop weg und heften Ihre Unterlagen ab.
  • Feierabendritual: Nutzen Sie ein Feierabendritual, um den Arbeitsalltag quasi wie eine Haut abzustreifen, z. B. indem Sie bewusst die Kleidung wechseln, eine heiße Dusche nehmen oder einen Spaziergang machen. Achten Sie bewusst auf diese Übergänge. Ihr Innerstes kann durch bewusste Übergangsrituale wieder in den „Privatsphäre-Modus“ umschalten. So können Sie entspannen und Kraft schöpfen für den nächsten Tag.
  • Sorgenritual: Kennen Sie das Phänomen, dass sich Ihr Kopfkino oder Ihre Sorgen wie eine Wolke vor Ihre Stimmung und in Ihre akute Arbeit drängen? Das kostet Energie, denn diese Sorgen verlangen nach Aufmerksamkeit. Schaffen Sie sich einen „Sorgenspeicher“ an. Das kann die Ecke Ihres Notizblocks oder eine Datei sein, in der Sie diese Überfallgedanken notieren. „Leeren“ Sie Ihren Speicher regelmäßig und widmen Sie sich ihm zu festen Zeiten. Durch dieses Ritual bekommt Ihr Gehirn das Signal, dass das Problem „in Bearbeitung“ ist und beendet das energieraubende „Dauerfunken“.

Überlegen Sie sich außerdem, welche Rituale Ihnen neben den Arbeitsroutinen ebenfalls gefallen könnten. Haben Sie durch das Wegfallen des Arbeitsweges morgens vielleicht die Zeit gewonnen, um eine größere Runde mit dem Hund zu gehen? Was wollten Sie immer schon regelmäßiger machen, wofür Ihnen Zeit und Raum fehlte? Schaffen Sie sich durch Rituale Momente, die Ihnen Struktur und Energie geben. Gerade jetzt benötigen wir viel Kraft und Geduld, die wir aus wiederkehrenden Ritualen ziehen können. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und feste Abläufe geben ihm Halt.

Auf der nächsten Seite finden Sie eine Übung aus unserem Beratungsalltag, mit der Sie Ihre persönliche Ritualinventur durchführen können. Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie Fragen hierzu haben.

Haben Sie Nachsicht mit sich, wenn Sie sich nicht immer an Ihre Routine halten können. Es ist für alle eine besondere Situation.

 

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