Mitarbeitende „virtuell einarbeiten“ – so klappt‘s auch in der Remote-Situation!

„Heute kommt der neue Mitarbeiter und keiner ist da“, seufzt meine Frau, als sie sich ihren Frühstückskaffee macht. Ich merke ihr an, dass sie nicht in der Haut ihres neuen Kollegen stecken möchte und spüre ihr Mitgefühl. Wir sprechen über die Situation und sind uns einig, dass das auch irgendwie falsch ist, einen neuen Kollegen komplett allein in einem leeren Großraumbüro ankommen zu lassen. „Das hat doch nichts mit einer guten Team-Kultur zu tun …“ und „Ich hätte ihm wenigstens gerne ein Willkommenspaket auf den Schreibtisch gelegt, … am liebsten noch mit einem netten Foto vom ganzen Team … aber wie soll das gehen, wenn ich selber ans Homeoffice gefesselt bin und keine Vertretung im Büro sitzt?“

Wer zurzeit neue Mitarbeitende in ein Team einarbeiten möchte, wird vor völlig neue Herausforderungen gestellt. Wir möchten Sie dabei nicht allein lassen. Hier ein paar professionelle Tipps:

  1. Onboarding beginnt im Bewerbungsgespräch – das gilt auch virtuell!
    Wir sein Onboarding optimieren möchte, der sollte es nicht versäumen, einen Blick auf den Bewerbungsprozess zu richten. Dabei geht es insbesondere um die beidseitige Erwartungsklärung an das zukünftige Arbeitsverhältnis. Erfahrene Personalerinnen und Personaler wissen schon lange, wie wichtig es ist, auch die Erwartungen der Bewerberinnen und Bewerber zu erhören. Wer also schon im Bewerbungsgespräch genau hinhört, der weiß, mit welcher Motivation und mit welcher Erwartung die neue Mitarbeiterin/der neue Mitarbeiter ihren/seinen Job antritt, und kann den zukünftigen Kolleginnen und Kollegen vielleicht einen netten Hinweis für eine individuelle Willkommensgeste geben.
     
  2. Lassen Sie Ihre Mitarbeitenden Willkommensvideos erstellen
    Persönliche Grußworte von den künftigen Kolleginnen und Kollegen sind am Anfang sehr motivierend. Als kurzes Video erleichtern sie den Einstieg in die neue Arbeitsumgebung und geben neuen Mitarbeitenden außerdem die Möglichkeit, das gesamte Team schneller kennenzulernen. Im Sinne der Storytelling-Regel können Kolleginnen und Kollegen beispielsweise von den Herausforderungen aus ihrer eigenen Anfangszeit erzählen. Das nimmt neuen Mitarbeitenden auch den Druck, während der Onboarding-Zeit „perfekt” sein zu müssen.
     
  3. Erstellen Sie einen visualisierten Überblick der Themen
    Fragt man Menschen, die eine neue Stelle antreten, nach ihren ersten Vorhaben, so hört man im Großteil der Fälle: „Ich möchte mir erstmal einen Überblick verschaffen.“ Dieser Wunsch ist absolut nachvollziehbar und vielleicht kennen Sie dieses Bedürfnis noch von einem Besuch in einem Bekleidungsgeschäft, als Ihnen die nette Verkäuferin oder der nette Verkäufer ihre/seine Hilfe angeboten hat.
    Wir Menschen brauchen zunächst ein Gefühl für ein neues Umfeld. Das kann z. B. das Bedürfnis nach Sicherheit sein und damit verbunden der Wunsch, dass wir uns über mögliche Gefahrenquellen informieren möchten. Genauso orientieren wir uns aber auch gerne an einer „kulturellen Normalität“ und versuchen, die Unternehmenskultur schnellstmöglich zu verstehen. Im Bekleidungsgeschäft ist es vielleicht die bloße Suche nach Inspiration statt der gezielten Suche nach einer neuen Hose, weswegen Sie mit oben genanntem Satz den Wunsch nach Überblick äußern.
    Wie wäre es da vielleicht mit einem großen Bild, welches die Räumlichkeiten und die wesentlichen Aufgabengebiete Ihres Unternehmens visualisiert?
    Nicht ganz so kreativ, aber auch sehr hilfreich ist eine Mindmap mit allen wesentlichen Aufgabengebieten und Schnittstellenthemen, die neue Mitarbeitende betreffen. Ausgehend von dem Begriff „Einarbeitungsplan“ entwickeln Sie die nächste Themenebene mit Inhalten wie z. B. Bürostruktur/Büroorganisation, fachliche Ausbildung, Sicherheit am Arbeitsplatz etc.
    Überlegen Sie sich schon im Vorfeld mit Ihrem Team, welche Themen für Neuankömmlinge wichtig sind, und verteilen Sie direkt Verantwortlichkeiten für die einzelnen Themen. Hier helfen den neuen Kolleginnen und Kollegen Lernpatenschaften, Mentoren und Tandems.
    Bei einer digitalen Visualisierung aller relevanten Themen ist der Überblick am Ende natürlich für alle hilfreich. So können Verantwortliche und neue Mitarbeitende regelmäßig schauen, worüber das Team gerade spricht und welche anderen Themen vielleicht damit verbunden sind. Der große Vorteil einer digitalen Lösung ist dazu noch die Möglichkeit, dass die einzelnen Themen direkt mit den entsprechenden Kontaktdaten der Kolleginnen und Kollegen verknüpft oder Dateien hinterlegt werden können.
     
  4. Erstellen Sie ein „Einarbeitungs-Wiki“
    Ist die Mindmap oder Orientierungskarte fertiggestellt, sollten Sie nun beginnen, in einem Dokument die wesentlichen Inhalte, die es bei der Arbeit zu diesem Thema zu berücksichtigen gilt, auszuformulieren. Dazu müssen Sie keine Bücher verfassen, betrachten Sie diesen Prozess eher als eine gemeinsame Aufgabe für das ganze Team. Dieses Dokument sollte außerdem nicht gleich den Anspruch auf Vollständigkeit haben und kann stattdessen ständig fortgeführt werden. Wenn wir dieses „Einarbeitungs-Wiki“ als „Wiki“ beschreiben, schwebt uns dabei tatsächlich dieselbe Idee vor wie in der weltbekannten Online-Lösung „Wikipedia“. Auch hier darf jeder mitschreiben, korrigieren oder weiterschreiben. Wenn Sie also den Mut haben, solch eine Wissensdatenbank für Ihr Unternehmen zu erstellen, dann kann das für weit mehr als Ihre neuen Mitarbeitenden in der Einarbeitung interessant sein. Wir haben diese Lösung bei Müller + Partner erkannt und z.B. über MS Teams umgesetzt.
     
  5. Behalten Sie den Überblick mit einem digitalen Taskboard
    Wer nun eine Fortschrittskontrolle über die Einarbeitungsthemen benötigt, dem empfehlen wir eine Art digitales Taskboard. Hierzu gibt es verschiedene Anbieter am Markt, wir empfehlen Ihnen auch hier aus eigener Erfahrung wieder eine Microsoft-Lösung - den Microsoft Planner, der sich auch wunderbar in die MS-Teams-Oberfläche integrieren lässt.
    Nehmen Sie die in der Mindmap gesammelten Themenschwerpunkte und beziffern Sie die Themen je nach zeitlicher Dringlichkeit als Modul. Benennen Sie das Modul nach Möglichkeit direkt als Zielzustand. Ein Modul könnte dann z.B. lauten: „Herr Mustermann hat alle nötigen Teilunterweisungen der Sicherheitsunterweisung vollständig abgeschlossen und ist sich der Gefahrenquellen an seinem Arbeitsplatz bewusst.“ – oder wie in unserem Beispiel (siehe Grafik): „Kennen und sicheres Anwenden der Büro- und Innendienststruktur“.
    Überlegen Sie nun weiter, welche Teilziele für jedes dieser Module erreicht sein müssen und schreiben Sie diese jeweils als Aufgabe unter das entsprechende Modul (in unserem Beispiel als Fragen formuliert: „Wo ist was?“, „Wie ist das Büro Kassel strukturiert?“ etc.).
    Kann die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter diese Fragen beantworten, können sie in Abstimmung mit der verantwortlichen Einarbeitungskollegin oder dem verantwortlichen Einarbeitungskollegen abgehakt werden. Es bleiben somit am Ende der Bearbeitung auf diese Weise immer weniger Teilaufgaben, die noch zu erledigen sind.
     
  6. Zeigen Sie ehrliches Interesse für Ideen und neue Impulse
    Bei aller Liebe zur inhaltlichen Ausgestaltung Ihres Einarbeitungsplans dürfen Sie eine wesentliche Sache natürlich nicht vergessen: Es geht um einen MENSCHEN, der Teil Ihres Teams werden möchte und somit eigene Vorstellungen, Erwartungen und Wünsche mitbringt. Setzen Sie sich also nach Möglichkeit – so oft es geht und nötig ist – mit den neuen Kolleginnen und Kollegen zusammen und hören Sie zu (dazu reicht übrigens auch ein Video-Call). Lassen Sie sich die Erfahrungen und den Fortschritt beschreiben und versuchen Sie, den Weg der Mitarbeitenden durch ergebnisoffene Fragen mitzugestalten. Erkennen Sie in neuen Teammitgliedern das Potential für ein Wachstum des gesamten Teams und Unternehmens und nicht nur eine personelle Ressource für eine Lücke. Wir sind uns sicher, mit dieser Haltung werden Sie die richtigen Fragen stellen und Ihre neuen Mitarbeitenden auch trotz räumlicher Distanz herzlich in Ihrem Team und Ihrem Unternehmen willkommen heißen.
     
  7. Achtung: Technik kann niemals Persönlichkeit ersetzen
    Verabreden Sie sich – wann immer möglich – zu einem persönlichen Treffen. Schlagen Sie einen Spaziergang (Radius 15 km) vor und investieren Sie Zeit und Nähe. Ihre neue Mitarbeiterin/Ihr neuer Mitarbeiter startet mit einer hohen Motivation und einem hohen Engagement – sie/er will rasch viel lernen, freut sich über jede Beachtung, jedes Lob, jede Anerkennung etc. Dies darf auch nach ein paar Wochen im operativen Tagesgeschäft nicht untergehen.

Fazit

Durch die Remote-Situation wird das Thema „Onboarding“ noch wichtiger. Dabei spielt die Vernetzung der neuen Mitarbeitenden mit ihren zukünftigen Kolleginnen und Kollegen eine immense Rolle und sollte gut moderiert werden. Noch besser wird es, wenn Sie die Verantwortung für das Onboarding gleich im ganzen Team verteilen und organisieren.
Feiern Sie auch in der Remote-Situation den ersten Tag einer neuen Kollegin/eines neuen Kollegen. Grund dazu gibt es genug, schließlich hat das ganze Team eine neue Kompetenz gewonnen – und auch wenn sich diese Kompetenz nicht sofort erschließt, wird sich irgendwann zeigen, welche es ist, so lange man nicht aufhört, danach zu suchen.  
Neue Mitarbeitende sind immer eine Bereicherung und ein Test für bestehende Teams. Wenn Sie als Führungskraft einen solchen Prozess begleiten, haben Sie nicht nur im Auge wie sich die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter fachlich einarbeitet, sondern thematisieren Sie auch, wie sie/er mit der bestehenden Kultur im Team harmoniert und welche positiven Einflüsse sie/er vielleicht sogar mitbringt.  

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