Die Rolle der Führung bei der Mitarbeiterbindung

Im übertragenen Sinne arbeiten viele Mitarbeiter und Führungskräfte in Kanzleien tatsächlich in emotionalen Wüstenlandschaften. Das bedeutet nicht, dass Sie von stacheligen Kakteen umgeben sind – denn dann würden die Pflanzen (Mitarbeiter) in einer passenden Umgebung wachsen. Vielmehr ist es so, dass die meisten Ihrer Kollegen und Mitarbeiter wahrscheinlich eher wasserliebenden Pflanzen entsprechen, die mit etwas Zuneigung und Dünger besonders gut wachsen und keine hitzigen Umgebungen bevorzugen. Deshalb steigt auch die Fluktuation in Kanzleien seit den letzten Jahren an – die Wechselbereitschaft von Mitarbeitern ist höher als früher und damit auch die Zahl der freiwilligen Kündigungen. Auffällig ist, dass mindestens die Hälfte der Kündigungen auf Grund von Beziehungsproblemen (zwischen Kollegen oder Mitarbeitern und Führungskraft) erfolgen. Die Frage, wie Mitarbeiter erfolgreich gebunden werden können, ist zu einem wesentlichen Strategiethema geworden. Denn nur so kann der Kanzleierfolg langfristig sichergestellt werden.

Unsere Arbeitswelt ist immer mehr geprägt durch einen digitalen Wandel und damit verbundenen Umgestaltungen. Es ist Aufgabe von Führung, den Mitarbeitern das Gefühl von Stabilität und Sicherheit zu geben. In unserer Pflanzen-Metapher: zu gießen, zu pflegen und mit den passenden Nährstoffen zu versorgen. Führungskräfte benötigen für ihren Alltag die entsprechende Portion Gelassenheit, Zuversicht und Flexibilität, um diesem Anspruch gerecht zu werden.

Darüber hinaus bedeutet gute Führung in diesen von Veränderungen geprägten Zeiten das aktive Managen von Beziehungen. Tatsächlich geht die bewusste Beziehungspflege im Alltag zu häufig unter. Zeitmangel, Arbeitsdruck aber auch ein hoher Anteil an digitaler Kommunikation stehen einer wertschätzenden Beziehung häufig im Weg. Als Führungskraft ist es Ihre Aufgabe, diesen Weg freizuräumen und die Beziehungspflege in der Kanzlei zu einem zentralen Führungsthema zu machen. Neben den „alt-bewährten“ fachlichen und sozialen Kompetenzen gehört die Fähigkeit, Beziehungen zu knüpfen, zu pflegen und lebendig zu halten, mindestens gleichwertig in das Anforderungsprofil einer Führungskraft.

Die folgenden erlernbaren Eigenschaften und Kompetenzen ermöglichen den Aufbau guter Beziehungen:

  1. Die Fähigkeit, eigene Gefühle zu deuten, die persönlichen Motive, aber auch Stärken und Schwächen zu kennen – also sich selbst realistisch wahrnehmen und einschätzen zu können
  2. Die bewusste Selbststeuerung (Regulierung), aber auch ein gutes Selbstmanagement (gute Impulskontrolle)
  3. Empathie
  4. Beziehungen durch ein konstruktives Konfliktmanagement und wertschätzende Kommunikation stärken zu können
  5. Verantwortungsübernahme für Entscheidungsfragen

Die Forderung nach aktiver Beziehungspflege geht einher mit dem Ruf nach einer Führung auf Augenhöhe. Jegliches Verhalten, das auf Befehlen oder einer Kommunikation „von oben herab“ basiert, widerspricht diesem Ansatz. Gleiches gilt für Verhaltensweisen, die auf nonverbaler Ebene für eine Störung der Beziehung sorgen. Dazu gehört schon der fehlende Kontakt, das Ausbleiben eines persönlichen und privaten Austauschs, aber auch eine Mimik oder Gestik, die demotivierend wirkt. Gleiches gilt für geringschätzende Aussagen und das Ignorieren von individuellen Bedürfnissen auf Mitarbeiterseite.

Die Herausforderung im Beziehungsmanagement liegt ganz klar darin, dass die fördernden Kompetenzen zwar erlernt werden können, ein bloßes Kopieren oder schemenhaftes Übernehmen von Verhaltensweisen aber nicht ausreicht. Im Gegenteil, ein geheucheltes Interesse oder nicht ernstgemeinte Worte (egal wie wertschätzend sie formuliert sind) wirken nicht authentisch und lassen sich schnell entlarven. Genau das führt dann sogar zu einer Verschlechterung der Beziehung.

Fragen Sie sich also: Was interessiert mich an dem Menschen? Wie tickt mein Gegenüber? Welche Werte sind meinem Mitarbeiter wichtig? Wie fühlt er sich in seiner Situation?

Gehen Sie mit diesen Fragen auch aktiv ins Gespräch und entwickeln Sie ein Interesse für andere Menschen, indem Sie die für Sie selbst spannenden Themenfelder beleuchten. Geben Sie ebenso Informationen über sich Preis und zeigen Sie echte Emotionen. Pokerface und ein sachlich kühler Umgang halten sich hartnäckig als scheinbare Erfolgsfaktoren, sind aber längst überholt.

Die zusätzliche Führungsaufgabe, Beziehungen zu managen, wird Ihnen leichtfallen, wenn Sie Ihre emotionale Intelligenz immer wieder stärken. Trainieren Sie Ihre sensiblen Antennen, um soziale Rückmeldungen zum eigenen Verhalten wahrzunehmen. Etablieren Sie eine Feedbackkultur, damit Sie zusätzlich ein direktes Feedback zur Zufriedenheit in der zwischenmenschlichen Ebene erhalten. Damit entwickeln Sie auf Führungs- und Mitarbeiterseite die Beziehungsfähigkeit weiter. Je mehr Sie in die Beziehung zu Ihrem Umfeld investieren, desto größer fällt der Ertrag aus. Um mit unserem Pflanzenbeispiel abzuschließen: wir ernten, was wir säen. Wenn wir die intensive Pflege vernachlässigen, verkümmern unsere Pflanzen und gehen uns verloren. Schaffen wir es aber, unseren grünen Daumen zu schulen und regelmäßig die Bedürfnisse unserer Mitarbeiter zu erfüllen, haben wir auf Dauer Freude daran und können das Wachstum beobachten. Auszahlen wird sich das in einem erfolgreichen Ergebnis – für die gesamte Kanzlei.

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