Die „richtige“ Haltung finden – geht das? Spoiler: „Man kann die Dinge verändern durch die Art, wie man sie betrachtet.“

Wie entsteht unsere Haltung zu einem Thema?

Eine schlechte Nachricht vorab – Sie besitzen alle Zutaten, um Ihr Leben in einen Albtraum zu verwandeln. Eine gute Nachricht hinterher – Sie besitzen genug schöpferischen Geist, um Ihr Leben mit Freude zu gestalten. Warum ich das so selbstbewusst sage? Weil ich mir eine Haltung erlaube, mit der ich fest und optimistisch daran glaube, dass jeder Mensch das nötige Potential dazu in sich trägt – Potential, sein Leben nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen positiv zu gestalten.

Wie komme ich nun zu dieser optimistischen Grundhaltung? Nun, „Haltung“ als Wort begegnet uns in vielen Zusammenhängen. Schon als Kind habe ich beim Klavierunterricht oft Sätze gehört wie z.B.: „Setz dich gerade hin!“, „Nimm mal Haltung an!“ Was hier eher auf die Körperhaltung und damit verbunden einen gesunden Rücken oder eine unter klassischen Pianisten erwünschte Körpersprache abzielt, hat vielleicht auf den ersten Blick weniger mit der psychologischen Bedeutung von Haltung zu tun. Was in der Psychologie oft als „innere Haltung“ bezeichnet wird, zielt schließlich eher darauf ab, die Einstellung zu einer Sache zu benennen.

Wenn ich mir das aber so recht überlege, dann bedingten sich schon damals meine Körpersprache (also mein „Verhalten“) und meine Einstellung zum Klavierspielen gegenseitig. Hatte ich schlichtweg keine Lust auf das Klavierüben, konnte man mir das an meinem krummen Rücken, meiner gelangweilten Mimik oder meinen durch andere Gedanken abgelenkten Augen, die ihre Blicke ins Nirgendwo richteten, deutlich anmerken. Vielleicht sollte mich der Satz „Nimm mal Haltung an!“ also damals einfach nur wachrütteln und mir bewusst machen: konzentrier dich mal mit voller Hingabe, ohne Ablenkungen auf die Sache, auf das Klavierspiel – „Hier spielt die Musik.“

Konnte mich nun der ernste, deutliche Ton meiner damals 87-jährigen Klavierlehrerin wachrütteln? Hat ihre Aussage von damals ernsthaft eine Botschaft an meine innere Haltung adressiert? Und habe ich wirklich meine heutige Haltung zum Klavierspiel dieser von außen eingewirkten Disziplin zu verdanken? Nein, ganz so einfach kann man es sich da nicht machen.

Unsere innere Haltung entwickelt sich nämlich immer weiter und über die Jahre kamen zahlreiche positive und negative Erfahrungen zum Thema Klavierspielen hinzu. Ob es die Einladung war, in einer tollen Big Band zu spielen, oder das erste ernstgemeinte Lob nach einem Auftritt – all diese Erfahrungen haben mit meiner Haltung zum Klavierspiel etwas gemacht, so dass ich heute die Haltung zum Musizieren am Klavier habe: „Es ist ein tolles Geschenk, die eigenen Gedanken am Klavier ausdrücken zu können.“, von ursprünglich: „Ich habe keinen Bock auf dieses Mozart-Zeug.“  

Aber was war da passiert? Wie konnte aus der konkret betrachteten gleichen Situation „Klavier spielen“ plötzlich eine so leidenschaftliche Sache werden? – Ich weiß heute, dass es daran liegt, dass ich mich irgendwann davon gelöst habe, Klavier für jemand anderen zu spielen, und einen Zugang gefunden habe, dass ich es in erster Linie für mich selbst tue. Ich habe mich also aus einer verengenden, limitierenden Haltung gelöst und dadurch den Zugang zu einer öffnenden „offenen“ Haltung gefunden.

Warum erzähle ich Ihnen diese Geschichte?! Nun ich denke, es geht uns oft im Leben so, dass wir eine Einstellung oder Haltung zu einer Sache oder Person haben und uns nur schwer davon abbringen lassen, diese Haltung oder gar Bewertung der Sache zu überdenken. Vielleicht ist es aus Ihrer Sicht auch genau richtig, so zu denken, weil Sie sich diese Haltung ja irgendwie auch erarbeitet haben und somit begründen können. Aber was wäre, wenn sich hinter den Dingen und Personen, die Sie mit Ihrer Haltung als „falsch“ oder „schlecht“ empfinden, also Dinge, Situationen oder Personen, um die Sie aktuell lieber einen Bogen machen … - was wäre, wenn diese Person Ihr ganz persönliches „Klavierspiel“ wäre, wenn sich hinter dieser Person etwas verbirgt, was Sie nur in einem anderen Kontext ergründen müssten, um daraus das Wertvollste überhaupt in Ihrem Leben zu machen? Ich möchte Sie an dieser Stelle einladen, sich zu den folgenden Fragen kurz Gedanken zu machen:

  1. Stellen Sie sich eine Sache, eine Person oder eine Situation vor, um die Sie aktuell lieber einen Bogen machen.
  2. Überlegen Sie sich, warum Sie aktuell diese Sache, Person oder Situation meiden.
  3. Überlegen Sie sich jetzt, welche anderen Personen Ihnen einfallen, die genau diese Person, Sache oder Situation komplett anders bewerten würden.
  4. Machen Sie sich nun eine Skizze 

Wie fühlt sich/ was denkt/ wie beurteilt …, wenn er/sie mit … konfrontiert ist?

Wie fühle ich mich/was denke ich/was beurteile ich, wenn ich mit … konfrontiert bin?

5. Überlegen Sie sich nun, wie Sie die andere Person kontaktieren können, um mehr von ihr über ihren Blick auf das Objekt zu erfahren.

6. Seien Sie neugierig und machen Sie sich frei von Ihren (Vor-)Urteilen und lernen Sie, was es heißt, „Neutralität“ und „Multiperspektivität“ als Haltung in Ihr Leben zu übernehmen.  

„Als innere Haltung bezeichnet die Psychologie die Einstellung, mit der ein Individuum auf Geschehnisse, bestimmte Gruppen von Menschen, Objekte und Situationen reagiert und wie es diese bewertet. Diese innere Haltung drückt sich aus in Überzeugungen, Emotionen und Verhalten.“

Fazit
Eine innere Haltung zu entwickeln, stärkt die Widerstandskraft der Psyche und erfüllt Ihr Leben, indem es Sie beruhigt: Sie gehen gelassener auf andere Menschen zu, weil Sie wissen, was Sie selbst für falsch und richtig halten - und weil Sie zulassen, dass es neben ihrem „richtig“ und „falsch“ auch andere „richtig“ und „falsch“ geben darf.

 

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