Die Macht der Warum-Fragen im Kommunikationsprozess

Warum wir nicht „Warum?“ fragen sollten und welche Alternativfragen es gibt

Wer, wie, was, wieso, weshalb, warum – wer nicht fragt, bleibt dumm. Schon als Kind haben viele von uns aus dem Sesamstraßenlied gelernt, dass es gut ist, zu fragen. Auch, dass es keine dummen Fragen gibt, ist eine gängige Erkenntnis aus unseren jeweiligen Sozialisationsprozessen. Aber gibt es die vielleicht doch?

Ist Ihnen auch schon einmal aufgefallen, dass die Antworten von Fußballern auf Interviewfragen direkt nach einem Spiel immer wieder für Unterhaltung sorgen? Vielleicht haben Sie sich auch das ein oder andere Mal mitleidig gefragt, wie ein Reporter solch unglückliche Fragen stellen kann. Die Reaktionen von Per Mertesacker zum Beispiel im Anschlussinterview nach dem WM-Spiel gegen Algerien haben ungewollt Berühmtheit erlangt. Auf die kritische Frage des Reporters, warum das Spiel so schwerfällig und anfällig gewesen sei, antwortete Mertesacker damals mürrisch: „Was wollen Sie?“ Die 90 Minuten Interview endeten in der Ankündigung, sich drei Tage in die Eistonne zu legen, Unmögliche, unverschämte oder „dumme“ Antworten? Es gibt ja keine „dummen Fragen“ – das haben wir immerhin so gelernt. Aber es gibt sie sehr wohl, diese „dummen“ Fragen. 

Es gibt natürlich auch scheinbar „dumme“ Antworten. Häufig sind gerade die allerdings bedingt durch eine, sagen wir: unglücklich gewählte Frage. Doch wie kann das passieren? Wir haben ja alle schon in unserer Kindheit gelernt: „Wer, wie, was, wieso, weshalb, warum - wer nicht fragt, bleibt dumm.“ Tatsächlich machen Kinder das auch, ganz frei heraus. Sie haben noch keine Probleme damit, zu fragen. Doch dann werden wir älter, haben uns breites Wissen angeeignet und müssen keine Fragen mehr stellen. Fragen Sie sich doch selbst einmal: Wie viele Fragen haben Sie heute schon gestellt? Wahrscheinlich sind es nicht allzu viele – und damit sind Sie nicht allein. Unsere Erfahrung zeigt, dass die wenigsten Menschen über ihre Fähigkeit, Fragen zu stellen, nachdenken. Sie steht selten auf Kompetenzlisten, obwohl gute Fragen stellen zu können, ein so wichtiger Bestandteil unserer Kommunikation ist. Es lohnt sich also, sich damit genauer zu beschäftigen und mit Hilfe der richtigen Fragetechniken die Möglichkeiten für Ihren Erfolg im Privaten und Beruflichen zu entdecken. Denn …

… Fragen lenken das Denken.

… Fragen öffnen verschlossene Türen.

… die richtigen Fragen führen mich zu meinem Ziel.

… Fragen lenken ein Gespräch in eine gewünschte Richtung.

… die richtigen Fragen können Sympathie und Nähe erzeugen.

Dafür stellen wir Ihnen die drei wichtigsten Fragetechniken vor.

1. Geschlossene Fragen

Eine geschlossene Frage lässt als Antwort nur „ja“ oder „nein“ zu oder es sind verschiedene Antwortalternativen vorgegeben. Z. B.: „Kann ich dir helfen?“ Da der Antwortbereich eingeengt ist, beschleunigt eine geschlossene Frage Gespräche. Der Gesprächspartner wird damit zu einer eindeutigen Stellungnahme angeregt. Werden zu viele geschlossene Fragen hintereinander gestellt, sind die Gesprächsanteile ungleich verteilt – es kommt zu einer Art Verhörsituation. Diese ist nicht gerade angenehm, der Gesprächspartner könnte sich schnell „ausgefragt“ vorkommen.

Müller + Partner-Tipp: Achten Sie darauf, dass, nachdem eine Frage mit „Nein“ beantwortet wurde, eine offene Frage folgt oder eine geschlossene Frage, auf die in jedem Fall mit „Ja“ geantwortet wird. Denn das „Nein“ löst ganz automatisch negative Gefühle aus. Dosieren Sie geschlossene Fragen richtig, dann geben Sie einem Gespräch den letzten Kick in die richtige Richtung und entfalten Ihr ganzes Können.

2. Offene Fragen

Die offene Frage beginnt mit einem Fragewort (die kennen wir aus der Sesamstraße). Z. B.: „Wie kann ich dir helfen?“ „Was kann ich tun?“ „Welche Möglichkeiten gibt es?“ Offene Fragen wecken die Redebereitschaft und zielen auf eine längere Antwort ab. Mit etwas Geschick bringen Sie ihren Gesprächspartner dazu, aus dem Nähkästchen zu plaudern. Offene Fragen eignen sich hervorragend als Eisbrecher zu Beginn eines Gesprächs. Da die Lenkung des Gesprächspartners nicht sehr hoch ist (in Art und Umfang seiner Äußerungen), ermöglichen offene Fragen ein Ausweichen.

Das Fragewort, welches Sie zukünftig getrost aus ihrem Fragewortschatz streichen können, ist das „Warum?“. Hierzu unten mehr.

Müller + Partner-Tipp: Bei sehr geschwätzigen Gesprächspartnern ist Achtung geboten. Eine offene Frage bringt den Vielredner nämlich erst so richtig in Fahrt. Ab und zu eine geschlossene Frage bremst und verändert die Gesprächsanteile wieder zu Ihren Gunsten.

3. Suggestivfragen

Die Suggestivfrage beinhaltet schon einen Hinweis auf die Antwort. Z. B.: „Du willst die Sache doch auch so schnell wie möglich erledigt haben?“ Ja, sie ist eine manipulative Fragetechnik und sollte deshalb nur dann angewendet werden, wenn die Gesprächsatmosphäre gut ist und das Vertrauensverhältnis der Gesprächspartner es zulässt. Eine Variante der Suggestivfragen, die rhetorische Frage, kennen Sie wahrscheinlich. Z. B.: „Wer will denn nicht erfolgreich Fragen stellen können?“

Müller + Partner-Tipp: Setzen Sie Suggestivfragen sparsam und überlegt ein. Sie sind ein gutes Sprungbrett für eine sich anschließende Frage und lenken hierfür die Richtung der Gedanken.

Kommen wir noch einmal auf die ausgangs beschriebene Situation zurück: Per Mertesacker wird nach einem offensichtlich sehr anstrengend WM-Viertelfinalspiel zum Interview gebeten. Der Reporter verzichtet auf einen sanften Einstieg und stellt sofort eine kritische Frage nach dem Warum. Diese war tatsächlich unglücklich gewählt, denn Warum-Fragen sind sehr fordernd und häufig schwingt ein Vorwurf mit. Was geht in Ihnen vor, wenn Sie diese Fragen hören? „Warum hast du das getan?“ „Warum kommst du jetzt erst nach Hause?“ „Warum macht dir das keinen Spaß?“

Zu gut kennen wir diese Warum-Fragen als ständigen Begleiter in unserer Kindheit, häufig als Resultat enttäuschter Erwartungen. Bei uns entsteht automatisch das Gefühl und Bedürfnis, das eigene Verhalten begründen und rechtfertigen zu müssen. Aus einer Schutzreaktion heraus gehen wir in eine Verteidigungshaltung. Denn wir haben zu oft gelernt, dass eine Warum-Frage nicht der Klärung eines Sachverhalts dient. Vielmehr gibt es gar keine richtige Antwort, auf eine Warum-Frage kann die nächste folgen (warum-warum-warum) und eigentlich ist sie keine Frage, sondern eine Zurechtweisung.

Dabei will der Fragende meistens auch keine mehrstündige Grundsatzdiskussion führen. In einem konstruktiven Gespräch hat diese Frage also nichts zu suchen. Alternativ können Sie es zukünftig besser probieren mit:

„Inwiefern wäre dir damit geholfen?“

„Könntest du mir die Hintergründe erläutern?“

„Was willst du damit erreichen?“

„Was spricht dagegen?“

„Wie kam es dazu, dass …?“

„Was war ausschlaggebend dafür, dass …?“

Diese Fragen vermitteln dem Gesprächspartner eine aufgeschlossene Grundhaltung und ermöglichen es dem Gegenüber, sich nicht angeklagt oder verhört zu fühlen. Auch wenn die Idee der Warum-Frage unumstritten ist, ist die harte Formulierung als Warum-Frage in 90 Prozent der Gespräche nicht zielführend.

Stellen Sie Fragen, fragen Sie zukünftig noch besser nach und hören Sie anschließend zu, was Ihr Gesprächspartner zu erzählen hat. So werden Sie die Qualität Ihrer Gespräche erhöhen und ganz nebenbei auch das Verhältnis zu Ihren Gesprächspartnern verbessern. Viel Erfolg!

 

Weitere Frageformen

Eröffnungsfragen (bringen ein Gespräch in Gang) - z. B.: „Welche Erfahrung haben Sie bereits im Umgang mit dummen Fragen?“

Informationsfragen (dienen dazu, Fakten zu erfahren) - z. B.: „Wie viele Fragen haben Sie heute schon gestellt?“

Klarstellende Fragen (dienen der Konkretisierung abstrakter Gedanken) - z. B.: „Was meinen Sie mit ‚viele‘“?

Hypothetische Fragen (bringen neue Gedanken in Gespräche ein) - z. B.: „Angenommen, Sie würden ab morgen bessere Fragen stellen, was glauben Sie, würde sich ändern?“

Fragen nach der Motivation oder Begründung - z. B.: „Warum glauben Sie das …?“

Anregende Fragen (geben Anregungen, auch andere Möglichkeiten in Betracht zu ziehen) - z. B.: „Unter Berücksichtigung Ihrer Erfahrungen, wäre es auch denkbar, dass …?“

Miteinbeziehende Fragen (ermutigen andere Personen zur Äußerung von Gedanken oder Bedürfnissen) - z. B.: „Was halten Sie von dieser Fragetechnik, Frau/Herr XY?“

Fokussierende Fragen (lenken das Gespräch wieder auf Kernpunkte oder zum Thema zurück) - z. B.: „Was hat das jetzt mit dem Thema Fragestellungen zu tun?“

Auswahlfragen (veranlassen dazu, Alternativen zu vergleichen und/oder zu bewerten) - z.B.: „Welche der drei Fragetechniken halten Sie für die beste?“

Abschlussfragen (ermutigen, eine Entscheidung zu treffen) - z.B.: „Haben wir dieses Thema ausführlich besprochen?“

Artikel als PDF Download

Zurück